Umgang mit Technik: Schwache Junge – starke Chance für Alte

Die Generationen „Gen Y“ und „Millenials“ haben offenbar kaum Vorteile aus der so früh in ihrem Leben erfolgten digitalen Sozialisation – im Gegenteil. Gemäss der Studie mit dem entlarvenden Titel „The myths of the digital native und multitasker“ haben die betreffenden jungen Leute sogar Nachteile, da sie hinsichtlich ihrer digitalen Fähigkeiten oft überschätzt werden – und sich nicht selten selbst überschätzen. Die Begegnung mit ungewohnten Anwendungen beispielsweise an neuen Arbeitsstellen führen zu Überforderungssituationen, da von Fähigkeiten ausgegangen wird, die nicht vorhanden sind. Das Ergebnis sind schlechte Einarbeitung, Frustration auf beiden Seiten und zuweilen Widerstände der Betroffenen gegenüber den Anwendungen. Dabei muss es sich nicht einmal um besonders ausgeklügelte oder seltene IT-Produkte handeln, sondern oft um Standards wie Excel, Word oder Ähnliches beispielsweise mit branchen- oder unternehmensspezifischen Eigenheiten.

Gewissheiten entpuppen sich zuweilen als Mythen. Einer davon ist, dass die «Digital Natives» über eine digitale Hochbegabung verfügen, schliesslich sind sie mit digitalen Gadgets aufgewachsen. Falsch.

Das Gegenteil ist gemäss einer niederländisch-belgischen Studie der Fall. Das ist eine schlechte Nachricht für die zwischen 1980 und um die Jahrtausendwende Geborenen – dafür eine gute Nachricht für die älteren Semester. Letzlich ist die digitale Transformation für alle eine Herausforderung.

Jürg Enderli

Kennen der Schwächen ist eine Stärke

Die älteren Generationen wissen, dass sie sich einarbeiten und erkundigen müssen, Sie erkennen die Unwissenheit als Normalfall. Das macht aus ihnen keine schlechteren IT-Anwender, im Gegenteil. Die Sache hat allerdings auch für sie einen Haken: Wer sich lange Zeit kaum mit IT-Anwendungen befasst, verliert schnell den Anschluss. Diese Personen werden je länger je grössere Probleme haben, mit sich entwickelnder IT Schritt zu halten, einen Stellenwechsel zu vollziehen oder nach einem Stellenverlust eine neue Stelle zu finden – gerade in Zeiten der digitalen Transformation.

Und staunend stellen wir fest, dass die Millenials & Co mit der älteren Generation oft im selben Boot sitzen. Während sich die einen überschätzen, trauen sich die anderen zu wenig zu oder haben schlicht zu wenig Anwenderkenntnisse. Das mündet in der Praxis ins selbe Problem: Mangelnde Anwendungskompetenz und Widerstände gegenüber neuen IT-Skills.  Was also tun? Weiterbildungen besuchen? Vielleicht, aber dazu braucht es erstens einen äusseren Anstoss und zweitens die Möglichkeit, das Erlernte auch sofort und täglich anzuwenden. Da offenbart sich ein Dilemma mit der IT: Wie im Sport sollte man immer ein bisschen etwas tun, um fit zu bleiben, doch wie soll das gehen, wenn man den Sport im Alltag nicht braucht? Ein möglicher Lösungsansatz ist vielleicht so einfach wie das Schwimmen von zehn Längen im Hallenbad oder das Absolvieren einer ausgedehnteren Fahrradtour.

Viele Lernfelder auch zu Hause

Das Internet bietet längstens nicht mehr nur Seiten um Ferien zu buchen oder Zeitung online zu lesen. Seit einiger Zeit hat beispielsweise das Cloudcomputing Otto Normalverbraucher erreicht (etwa in Form von Dropbox oder iCloud), eine Technologie, die aktuell in vielen Unternehmen in grossem Stil eingeführt wird. Oder wie einfach lässt sich eine noch gut funktionierende aber in die Jahre gekommene Stereoanlage digitalisieren. Man muss sich bloss mit der entsprechenden Technologie befassen und diese anwenden (schon mit weit unter 200 Franken ist man dabei).

Das sind Kenntnisse, die es so an der Arbeitsstelle kaum direkt braucht. Aber wer es geschafft hat, die 15 Jahre alte Stereoanlage nun mit dem iPhone zu bedienen und Cloudlösungen für sich privat entwickelt hat, wird selbstsicherer, lernt die richtigen Fragen zu stellen und verliert die Angst vor der Anwendung neuer Technologien. Und bekommt vielleicht sogar noch Lust auf mehr.

Es ist wie im Sport: für ein angenehmeres und gesünderes Leben muss man keinen Marathon laufen. Für das Erlangen von IT-Kompetenz muss man nicht zum Programmierer werden. Sich täglich ein wenig – dafür ernsthaft – damit zu befassen, kann schon reichen.

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